Vom Missverständnis zur gemeinsamen Vision: Erfolgreiche Stakeholder-Integration bei einem Automobilzulieferer

Aug 13
In diesem Praxisbericht zeigen wir, wie ein Weltmarktführer der Automobilzulieferindustrie seine internen Kommunikations- und Integrationsprobleme überwinden konnte. Anstatt sofort technische Lösungen zu fokussieren, legten wir den Schwerpunkt auf die Einbindung aller relevanten Stakeholder und die Entwicklung einer gemeinsamen Vision. Dabei wurde deutlich, dass nachhaltige Veränderungen nur dann erfolgreich sind, wenn sie tief im emotionalen Verständnis und der intrinsischen Motivation aller Beteiligten verankert sind. Die Ergebnisse dieses Sprints zeigen, wie entscheidend mensch-zentrierte Ansätze für den Erfolg datengetriebener Projekte sind. Lassen Sie sich inspirieren, wie durch gezielte Zusammenarbeit und das Aufbrechen festgefahrener Verhaltensmuster echte Transformation gelingt.

Ein Projekt zwischen Business und Daten: Erste Hürden

Mit einem Weltmarktführer unter den Automobilzulieferern konnten wir einen Sprint durchführen, von dem ich euch hier gerne berichten möchte.

Statt uns direkt mit der Problemlösung, der Definition von Datenprodukten oder gar der Technologieplattform auseinanderzusetzen, begannen wir damit, uns die Ziele und den Zusammenarbeitsmodus des designierten Projektteams anzuschauen. Eine Schlüsselperson im Teilnehmerkreis war eine Frau aus dem Business (nennen wir sie Frau Müller), die als Kunde des Datenproduktteams teilnahm und selbst auch Data Ownerin war. Robert, der Leiter des Datenproduktteams, hatte die Aufgabe, die Bedürfnisse und Anforderungen von Frau Müller zu verstehen und in ein datengetriebenes Produkt umzusetzen.

Ein wesentliches Problem in diesem Szenario war die fehlende Integration und Zusammenarbeit zwischen den Business-Einheiten und dem Datenproduktteam. Frau Müller und ihr Team fühlten sich nicht ausreichend eingebunden, was zu einem Missverständnis der Anforderungen und Erwartungen führte. Die Rolle von Frau Müller als Kunde und nicht als aktives Teammitglied des Datenproduktprojekts erschwerte die Kommunikation und das Verständnis weiter.

Die Komplexität menschlicher Entscheidungen verstehen

Diese Situation ist ein gutes Beispiel für zwei weit verbreitete Einstellungen, auf die ich immer wieder treffe:

Erstens: Je mehr Informationen Menschen zur Verfügung stehen, desto bessere Entscheidungen können sie treffen.

Zweitens: Man muss nur die Rahmenbedingungen verändern, dann ändern sich die Menschen schon mit.

Wir neigen dazu, anzunehmen, dass Menschen hauptsächlich rational handeln. Tatsächlich handeln sie jedoch oft emotional und sozial beeinflusst. Wir sind von Gewohnheiten, sozialen Normen und emotionalen Bindungen geprägt. Selbst wenn die äußeren Umstände objektiv vorteilhafter werden, können tief verwurzelte Verhaltensweisen weiterhin bestehen bleiben und uns davon abhalten, diese zu akzeptieren. „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist ein typisches Beispiel für solche festgefahrenen Verhaltensweisen.

Vielleicht weil es uns selbst nicht schmeichelt, verkennen wir die komplexe und oft irrationale Natur menschlichen Verhaltens.

Ein altes, aber immer wieder schönes Beispiel hierfür ist das Verhalten von Kindern, die trotz häufiger Warnungen einfach einmal selbst auf die heiße Herdplatte fassen müssen. Dies hat nichts mit fehlender Information zu tun, sondern mit dem Drang, eigene Erfahrungen sammeln zu müssen. 

Eigene Erfahrungen sind uns unendlich wertvoll

Die Neigung, eigene Erfahrungen machen zu wollen, liegt an der neurologischen Tatsache, dass direkte Erfahrungen einen stärkeren Einfluss auf das Gehirn haben als abstrakte Informationen. Das Gehirn verarbeitet eigene Erfahrungen in Regionen wie dem limbischen System und der Amygdala, die für emotionale Reaktionen zuständig sind. Diese unmittelbare, sensorische Erfahrung führt zu einer stärkeren Verankerung im Gedächtnis als bloße Informationen.

Wenn wir reisen und in Urlaub fahren, ERFAHREN wir im Wortsinne neue Erfahrungen. Geschichten und Bilder über berühmte oder schöne Orte reichen uns nicht aus. Auch eine virtuelle Umgebung ist kein Ersatz. Wir wollen diese Orte leibhaftig erleben. Steht man dann zum ersten Mal am Grand Canyon, Eiffelturm oder ähnlich bekannten Wahrzeichen, fühlt es sich manchmal fast nicht real an, so oft hat man diese Bilder schon gesehen. Und doch will man solche Eindrücke und Erfahrungen auch bei nächster Gelegenheit unbedingt wieder selbst machen. Diese Erfahrungen sind den meisten von uns eine ganze Menge wert. 

Die Erkenntnis über die Bedeutung eigener Erfahrungen war eine wesentliche Motivation unser Beratungsformat über Execution Sprints zu entwickeln. 

Von Missverständnissen zur gemeinsamen Vision

Um bei unserem Kunden aus der Automilzulieferbranche die Kluft zwischen den Funktionsbereichen zu überwinden, setzten wir auf die direkte Einbindung aller relevanten Stakeholder von Beginn an. Wir organisierten Workshops, in denen nicht nur die technischen Anforderungen, sondern auch die Erwartungen und Sorgen der Beteiligten offen diskutiert wurden. Durch diese frühzeitige Einbindung konnten wir nicht nur Missverständnisse vermeiden, sondern auch eine gemeinsame Basis für die Zusammenarbeit schaffen. So konnten wir die Abhängigkeiten zu den verschiedenen Stakeholdern transparent machen und "entdeckten" als Team die gemeinsamen Kunden und deren Anforderungen. Diese Transparenz half dabei, die verschiedenen Interessen und Ziele besser zu verstehen. 

Eine wesentliche Erkenntnis war, dass es nicht nur um die internen Kunden (wie Frau Müller) geht, sondern auch um deren Kunden. Es wurde klar, dass alle Beteiligten im gleichen Boot sitzen und ein gemeinsames Ziel verfolgen müssen, um erfolgreich zu sein. 
Diese mensch-zentrierte Herangehensweise ermöglichte es allen, die Bedürfnisse von Frau Müller besser zu verstehen und die Kommunikationsbarrieren abzubauen.

Um den
Teilnehmern zu ermöglichen, ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen, haben wir unser Vorgehensmodell über Execution Sprints eingesetzt. 
In diesem Rahmen haben wir gezielt Übungen und Simulationen eingesetzt, die ein reales Szenario nachgebildet haben. Diese Herangehensweise hat den Teilnehmern geholfen, die emotionalen und sozialen Dynamiken innerhalb ihrer Teams zu verstehen und eigene Lösungen für bestehende Herausforderungen zu entwickeln. Insbesondere die Auseinandersetzung mit Barrieren im Hinblick auf die Erfüllung der Endkundenbedürfnisse wurde als sehr hilfreich
empfunden. So konnten Zielkonflikte der einzelnen Teilnehmer durch konkurrierender Interessen der Stakeholder identifiziert und mit der Gruppe diskutiert werden. Weil dadurch Zielkonflikte akzeptiert oder beseitigt werden  konnten, konnten nicht nur gemeinsame Lippenbekenntnisse formuliert werden, sondern über das Sprintende hinaus robuster Ziele vereinbart werden. Die Formulierung einer konkreten gemeinsamen Vision rundete das Ergebnis noch ab und diente als Leitbild für zukünftige Aufgaben der Teammitglieder. 

In einer nachgelagerten Projektphase konnten auf dieser Grundlage die vereinbarten Ziele in konkrete und messbare Kennzahlen übersetzt werden, die direkt in die BI-Arbeit integriert werden konnten. So einigten sich die Teammitglieder darauf, ein zentrales Dashboard zu entwickeln, das transparent machte, welchen Fortschritt das Team auf dem Weg zum data-driven Enterprise erzielte.

Darüber hinaus wurde festgelegt, dass regelmäßige Workshops zwischen dem BI-Team und den Business-Einheiten stattfinden, um kontinuierlich Feedback zu sammeln, um das Dashboard und die Vorgehensweise iterativ anzupassen. Dieses Vorgehen, das auf konkreten, greifbaren Ergebnissen basiert, schafft nicht nur Klarheit über die nächsten Schritte, sondern stellt sicher, dass alle Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, das sowohl den operativen als auch den strategischen Anforderungen des Unternehmens gerecht wird.

Wichtige Learnings und Best Practices

Der Sprint mit dem Automobilzulieferer hat eindrucksvoll gezeigt, wie entscheidend die direkte und frühzeitige Einbindung aller relevanten Stakeholder für den Erfolg datengetriebener Projekte ist. Durch eine mensch-zentrierte Herangehensweise konnten wir nicht nur Kommunikationsbarrieren abbauen, sondern auch ein tiefes Verständnis für die gemeinsamen Ziele und Herausforderungen entwickeln. Nachhaltige Veränderungen gelingen vor allem dann, wenn sie selbstmotiviert erfolgen. Dies wurde besonders deutlich, als wir im Sprint erlebten, dass die erarbeitete gemeinsame Vision nicht nur das Ergebnis rationaler Überlegungen, sondern auch eines tieferen, emotionalen Verständnisses der gemeinsamen Herausforderungen war. Diese intrinsische Motivation, die aus dem tiefen, emotionalen Engagement der Beteiligten resultierte, ermöglichte es, dass die Veränderungen nicht nur oberflächlich, sondern langfristig und erfolgreich umgesetzt wurden.

Die Anwendung unseres Execution-Sprint-Formats ermöglichte es den Teilnehmern, eigene Erfahrungen zu machen und selbstmotivierte, nachhaltige Veränderungen anzustoßen. So wurde klar, dass nachhaltige Veränderungen nur in einem klar definierten, kooperativen Rahmen erfolgreich sein können, in dem alle Beteiligten erkennen, dass sie gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten und dass dies nur durch enge Zusammenarbeit und ein tiefes Verständnis der gegenseitigen Bedürfnisse und Anforderungen erreicht werden kann. Die daraus resultierende gemeinsame Vision und die konkrete Übersetzung in messbare BI-Kennzahlen zeigen, dass erfolgreiche Transformationsprozesse nicht nur von technischen Lösungen, sondern vor allem von der Zusammenarbeit und dem gemeinsamen Engagement aller Beteiligten abhängen. Dies unterstreicht die Bedeutung einer klaren, transparenten Kommunikation und der Ansprache der intrinsischen Motivation, um den Weg zu einem "truly data-driven Enterprise" zu ebnen.
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