Warum IT Abteilungen sich abschaffen müssen, um relevant zu bleiben

Dec 10
Buy-in und die Übernahme von Verantwortung sind die Hürden, die Unternehmen überwinden müssen, um in der digitalen Transformation erfolgreich zu sein. Solange die IT als doppelter Boden und Notnagel dient, bleibt jede Initiative eine halbherzige Alibi-Transformation.

Die Lösung ist dabei ebenso einfach wie unvermeidlich: Die IT muss bewusst daran arbeiten, sich selbst abzuschaffen. Nur so wird der Weg frei für ein System, in dem Fachbereiche eigenständig agieren, Verantwortung übernehmen und die Konsequenzen ihrer Entscheidungen tragen.

Die Überlastung der IT und das Missverständnis von Verantwortung

Wir sollten uns trauen die Dinge beim Namen zu nennen: Die klassische IT-Abteilung ist ein Relikt aus einer Zeit, in der Technologie vor allem unterstützend und nicht geschäftskritisch war. Doch heute stehen wir vor einer Realität, in der Daten, digitale Prozesse und Technologien die Basis für Wettbewerbsvorteile bilden.

Obwohl Aufgaben nicht selten theoretisch bereits in die Fachbereiche verlagert wurden, bleibt die IT häufig die letzte Anlaufstelle, wenn Probleme auftreten. Denn vielfach ist in letzter Konsequenz die Autonomie der Fachbereiche nicht mehr als eine schöne Fassade. Dahinter werden vor allem Unsummen für pixelgenaue Dashboards und das Einhalten von Farbcodes investiert, was eine zusätzliche Dimension an Komplexität durch die Vielzahl von Speziallösungen schafft. 
In den Bereichen, in welchen auf Grund von rechtlichen oder anderen Zwängen eine Zusammenarbeit erfolgen muss sind geprägt durch ein langsames Demand-Management-Verfahren in welchem Fachbereiche Anforderungen definieren , die sie an die eigene IT, oft unterstützt durch externe Dienstleister weitergeben. Diese werden dann – oft wortwörtlich – umgesetzt, ohne dass die dahinterliegenden geschäftlichen Ziele (ausreichend) hinterfragt werden. 
Softwareanbieter verschärfen die Gesamtsituation zusätzlich indem sie Unternehmen suggerieren, dass durch ihre Software, durch das nächste Release oder durch die nächsten Migration mehr Geschwindigkeit bei niedrigeren Kosten erreicht werden kann. 

Die Wahrheit ist mit jedem Projekt, jedem neuen Kollegen oder Team und jedem neuen System werden immer neue Abhängigkeiten erzeugt, die zu immer mehr Komplexität führen und an das tieferliegenden Dilemma weiter verschärft. 

Paradoxerweise führen diese Umstände zu einer steigenden Erwartungshaltung an IT-Abteilungen. Diese ist aber immer weniger in der Lage zu agieren, kämpft sie doch mit einer enormen Überlastung durch die Vielzahl von Systemen und Anwendungen, während Budgets gekürzt werden und der Fachkräftemangel spürbar ist. 

IT Abteilungen müssen sich abschaffen. 

Interessanterweise gibt es in den meisten Unternehmen ein starkes Bewusstsein dafür, dass das bestehende IT Betriebsmodell an seine Grenzen gekommen ist – aber keinen umfassenden Auftrag und kein in der Breite akzeptiertes Vorgehensmodell die Situation grundlegend zu verändern. 

Hier zeigt sich die eigentliche Herausforderung vor der Unternehmen stehen: Fachbereiche bleiben oft in der Rolle von Anforderungsstellern, statt Verantwortung für die Umsetzung und den Lebenszyklus der Ergebnisse zu übernehmen. Letztlich verstärken sie so aber selbst ihre Abhängigkeit von der IT und zementiert den Status Quo, von dem sie sich eigentlich lösen wollen. 

Dabei ist eine Lösung gar nicht so schwer: IT-Abteilungen müssen sich abschaffen.

Das klingt radikal – ist es aber nicht. Vielmehr ist es die logische Konsequenz aus den Veränderungen, die bereits stattgefunden haben. Fachbereiche verstehen nicht, wieso sie die volle Verantwortung für etwas übernehmen sollen, das aus ihrer Sicht durch eine spezialisierte IT-Organisation geleistet werden kann. Der Umgang mit Software und das Verständnis von Daten sind heute keine Spezialfähigkeit mehr, sondern Grundlage und Handwerkszeug für alle Wissensarbeiter im Unternehmen. Informations-Technologie ist heute so tief in den operativen und strategischen Prozessen eines Unternehmens verwurzelt, dass sie als separate Abteilung nicht mehr zeitgemäß ist.
Man könnte auch sagen, IT ist als technologische Disziplin erwachsen geworden. Sie hat viele der Grundlagen geschaffen, auf deren Basis Fachbereiche heute eigenverantwortlich arbeiten können.

Jetzt ist es an der Zeit, diese Verantwortung abzugeben. Doch für eine zielführende interdisziplinäre Zusammenarbeit fehlt das gemeinsame Verständnis von Zielen, Verantwortlichkeiten und Prioritäten in den bestehenden Strukturen. Es ist deshalb nur konsequent diese den Gegebenheiten anzupassen. 
Die Umstellung auf eine IT, die sich überflüssig macht ist deshalb nicht nur konsequent, sondern birgt auch erhebliche Vorteile:

Agilität und Flexibilität: Fachbereiche können schneller auf Veränderungen im Markt reagieren, da sie eigenständig agieren und nicht mehr auf langsame Demand-Management-Prozesse oder zentrale Freigaben warten müssen. Entscheidungen und Umsetzungen erfolgen näher am Problem und damit effizienter.

Reduzierung von Abhängigkeiten: Klare Verantwortlichkeiten innerhalb der Fachbereiche minimieren Abhängigkeiten von zentralen IT-Abteilungen. Die Fachbereiche übernehmen Kontrolle über ihre eigenen Daten und Systeme, was die Zusammenarbeit vereinfacht und Prozesse beschleunigt.

Effizienz und Skalierbarkeit durch moderne Governance: Eine schlanke, moderne Governance schafft die Grundlage für Autonomie der Fachbereiche, ohne die Integrität und Konsistenz der Daten und Systeme zu gefährden. Standards und Richtlinien sorgen für Effizienz, Sicherheit und eine einfache Skalierbarkeit über das gesamte Unternehmen hinweg.

Bessere Zusammenarbeit: Die klare Aufteilung von Rollen und Verantwortlichkeiten fördert die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen. Interdisziplinäre Teams mit einem gemeinsamen Verständnis von Zielen und Prioritäten schaffen Synergien.

Wettbewerbsvorteile: Daten und Technologien bilden die Grundlage moderner Geschäftsmodelle. Eine IT, die Fachbereiche befähigt, diese Potenziale selbstständig zu nutzen, trägt direkt zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit bei.

Der Schlüssel: Ein soziotechnischer Ansatz

Die eigentliche Radikalität dieses Ansatzes liegt darin, dass Unternehmen akzeptieren müssen, dass ein grundlegender Wandel in der Zusammenarbeit, der Kultur und den Verantwortlichkeiten notwendig ist.

Datenströme, Systeme und Prozesse sind so verflochten, dass es unmöglich ist Probleme isoliert aus den einzelnen Fachbereichen zu betrachten.Kein Tool und keine Technologie (auch nicht KI) kann daran etwas ändern - und auch die etablierten Mechanismen und lineare Projektpläne haben als Lösungsansatz ausgedient. 

Den einzigen gangbaren Ausweg bildet ein soziotechnischer Ansatz in welchem Menschen von Dienstleistern zu Gestaltern in ihrem Aufgabenbereich werden. Damit Fachbereiche die ihnen zugedachte Autonomie tatsächlich nutzen können, müssen sie befähigt werden, nicht nur technologische Tools zu bedienen, sondern auch die Verantwortung für Daten, Prozesse und Ergebnisse in vollem Umfang zu tragen. Auf Grund ihrer heutigen Rolle ist die IT die einzige Organisationseinheit im Unternehmen die das leisten kann. Nur sie ist in der Lage die Basis für ein System zu schaffen, in dem Fachabteilungen selbstständig agieren können. 

Sobald klar ist, dass die IT das Ziel verfolgt sich abzuschaffen, bekommt die Übernahme von Verantwortung über den gesamten Produktlebenszyklus von Software und Daten in den Domänen eine andere Relevanz und Dringlichkeit. 

IT wird zum strategischen Partner des Business

Eine IT-Abteilung, die darauf hinarbeitet, sich überflüssig zu machen, hat in diesem Szenario eine der wichtigsten strategischen Aufgaben im Unternehmen. Sie muss die Rahmenbedingungen, Werkzeuge und Governance-Strukturen schaffen, während die Fachabteilungen lernen, diese effektiv zu nutzen und ihre eigene Rolle in der digitalen Wertschöpfung zu übernehmen.

Eine IT, die sich überflüssig macht, wird also genau dadurch unverzichtbar. Sie schafft die Grundlagen, die es dem gesamten Unternehmen ermöglichen, agiler, schneller und effizienter zu arbeiten. Ihre neue Rolle als Architekt von Systemen und Prozessen, Berater für Fachabteilungen und Garant für Governance macht sie nicht nur relevanter denn je, sondern auch zum Motor für Innovation und langfristigen Erfolg.
 

Eine solche, moderne IT 
übernimmt die Aufgabe, gemeinsam mit den Fachbereichen Datenprodukte zu konzipieren und zu entwickeln. Das bedeutet konkret, dass sich IT als strategischer Partner positionieren muss, der gemeinsam mit den Fachbereichen an geschäftlichen Zielen arbeitet. Das bedeutet: Proaktive Beratung, kritisches Hinterfragen von Anforderungen und die Fähigkeit, Alternativen zu entwickeln, die einen höheren Mehrwert bieten. Dafür muss die IT die Fähigkeit entwickeln, geschäftliche Probleme zu analysieren und diese in technische Anforderungen zu übersetzen. Das erfordert, dass IT-Mitarbeiter:

Die Geschäftsmodelle des Unternehmens verstehen.
Die Herausforderungen der Fachbereiche kennen.
Die Sprache der Fachbereiche sprechen können.

Dabei stellt sie sicher, dass Datenprodukte so gestaltet sind, dass sie klare Mehrwerte liefern, von Anfang an einen klaren Kundenfokus haben und entlang ihrer gesamten Lebenszyklen gemanagt werden können. Die IT sorgt dafür, dass Datenprodukte modular, wiederverwendbar und leicht in bestehende Geschäftsprozesse integrierbar sind.

IT als Enabler und Architekt

Eine moderne IT unterstützt Fachbereiche dabei, ihre Domänen klar zu definieren und sinnvolle Bounded Contexts zu identifizieren, die für die Entwicklung von Datenprodukten entscheidend sind. Mithilfe von Methoden wie Event Storming, Domain Storytelling und Value Stream Mapping hilft sie, Domänengrenzen zu ziehen, die sowohl technische als auch fachliche Komplexität reduzieren.

Eine weitere zentrale Aufgabe dieser neuen IT ist die Bereitstellung einer Self-Service-Infrastruktur, die es den Fachbereichen ermöglicht, eigenständig auf Daten und Tools zuzugreifen. Dazu gehören robuste Plattformen, die den Zugang zu Datenquellen, Analysewerkzeugen und Automatisierungs-Tools erleichtern, ohne dass ständig IT-Support erforderlich ist. Diese Infrastruktur muss benutzerfreundlich, sicher und skalierbar sein, sodass sie sowohl erfahrene als auch weniger technikaffine Nutzer effektiv unterstützt.

Parallel dazu definiert und verwaltet die neue IT eine föderierte Governance, die klare Leitplanken für die Nutzung von Daten schafft, ohne die Autonomie der Fachbereiche einzuschränken. Mechanismen wie Data Contracts gewährleisten, dass Datenqualität, Compliance und Sicherheitsstandards in allen Domänen eingehalten werden. Eine solche Governance ermöglicht es, Verantwortung dort zu verankern, wo das Wissen vorhanden ist – in den Fachbereichen – während die IT für die Einhaltung übergreifender Standards sorgt.

Um die Interoperabilität zwischen Datenprodukten sicherzustellen, entwickelt und implementiert die IT Standards für Datenkataloge, Metadatenmanagement und semantische Layer. Gleichzeitig setzt sie auf Automatisierung, um wiederkehrende Aufgaben wie Datenvalidierung, Monitoring und Berechtigungsmanagement effizient und konsistent abzuwickeln.

Die moderne IT spielt zudem eine zentrale Rolle bei der Orchestrierung der Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen. Sie sorgt dafür, dass Datenprodukte nahtlos zusammenarbeiten und entlang der Wertströme integriert sind. Gleichzeitig etabliert sie Prozesse, um domänenübergreifende Anforderungen zu identifizieren und zu adressieren, ohne die Eigenständigkeit der einzelnen Domänen zu beeinträchtigen. Dafür evaluiert sie kontinuierlich neue Technologien, Methoden und Werkzeuge, die Fachbereiche und Domänen in ihrer Arbeit unterstützen können. Sie stellt sicher, dass die eingesetzten Lösungen zukunftssicher sind und die Skalierung des gesamten Datenökosystems ermöglichen.

Das größere, übergeordnete Ziel, dass sie bei all ihren Aktivitäten verfolgt ist der Aufbau einer unternehmensweiten Datenkultur. Dies gelingt, indem sie die zuvor genannten Voraussetzungen schafft und den Austausch zwischen Fachbereichen fördert. So genannte Communities of Practice oder Data Camps fördern den Transfer von Best Practices und schaffen kontinuierlich Synergien.

Haben Sie den Mut so zu denken?

Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, in dem Fachbereiche nicht auf Genehmigungen oder aufwendige IT-Prozesse warten müssen, sondern in Echtzeit Entscheidungen treffen, innovative Lösungen entwickeln und Verantwortung für ihre Ergebnisse übernehmen. Eine Organisation, die flexibel, schnell und selbstorganisiert auf jede Herausforderung reagiert – ohne dabei auf zentrale Standards und Sicherheit zu verzichten. Genau das ist möglich, wenn IT-Abteilungen den Mut haben, sich überflüssig zu machen.

Was bedeutet das konkret für Ihr Unternehmen? Wir würden uns freuen, mit Ihnen diese und andere mutige Gedanken in eine klare Strategie zu übersetzen und in Handlungen zu überführen.

Lassen Sie uns gemeinsam die Weichen für eine erfolgreiche Transformation Ihres Unternehmens stellen. Nehmen Sie am besten noch heute Kontakt zu uns auf!